Ikonos - Der Spionagesatelit zum mieten
Offener Himmel
Der erste kommerzielle Spionagesatellit startet diese Woche ins All - seine scharfen Fotos sollen frei erhältlich sein.
Am Freitag dieser Woche könnte ein neues Zeitalter anbrechen: Der britische Zukunftsvisionär und Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke verkündet eine "Ära der Transparenz".
Verläuft alles nach Plan, wird eine amerikanische "Athena"-Rakete den ersten kommerziellen Spähsatelliten ins All hieven, dessen gestochen scharfe Digital Schnappschüsse für jedermann zugänglich sein sollen - sofern er dafür zu zahlen bereit ist. Zweimal täglich soll Ikonos die Erde umkreisen. Jeder beliebige Ort am Boden könnte dabei im Schnitt alle drei Tage überflogen und fotografiert werden.
Bisherige HimmeIsspäher vermögen bestenfalls Gegenstände zu erkennen und abzulichten, die größer sind als fünf Meter. Dieses so genannte Auflösungsvermögen wird die "Ikonos"-Optik, wenn in etwa drei Monaten die Systeme des Satelliten überprüft und ausgerichtet sind, bei weitem übertreffen. Auf den Ikonos" -Fotos, die der Satellitenbetreiber, die in Thornton (Colorado) ansässige Firma "Space Imaging", seinen Kunden liefern will, sind noch ein Meter große Objekte auf der Erde zu erkennen - also einzelne Menschen beispielsweise. Nur die militärischen Spionagesatelliten erzielen derzeit noch mit 1.5 bis 30 Zentimetern ein höheres Auflösungsvermögen. Daß für die Himmelsspäher ein ausreichender Bedarf besteht, scheint unstrittig. Mit Ikonos - Fotos ließe sich etwa schnell das Ausmaß der Schäden bei Erdbeben oder Waldbränden abschätzen. Die Bilder könnten auch genutzt werden zur Stadt und Straßenplanung, beim Umweltschutz und Katastropheneinsatz sowie - durch den Einsatz von Spezialkameras - zur Überwachung von Schädlingsbefall und Reifegrad landwirtschaftlicher Nutzpflanzen.
Derlei Einsatzbreite wird allenthalben gelobt und vom "Ikonos"-Betreiber auch geschickt vermarktet. Weniger offen wirbt das Unternehmen hingegen mit einer weiteren Möglichkeit, die der "Ikonos" Satellit eröffnet: die Aufklärung der Machenschaften von Feinden und Konkurrenten. "In ganz kurzer Zeit werde die Ikonos" -Firma ihre Produkte auch "auf dem Militär und Spionagesektor anbieten", prophezeit der amerikanische Fernaufklärungs-Experte Vipin Gupta von den Sandia National Laboratories im kalifornischen Livermore. Mit Hilfe der käuflichen Luftaufnahmen von Nachbarn oder potentiellen Feinden können sich Manager und Generäle, Putschisten und Präsidenten nun einen machtvollen Wissensvorsprung verschaffen, der bislang Großmächten vorbehalten war. Vor solchem Hintergrund scheint einsichtig, dass die amerikanische Regierung lange versucht hat, den kommerziellen Einsatz der neuen Techniken zu begrenzen. So behielt sie sich vor - unter dem Vorwand, die "nationale Sicherheit" schützen o er "internationalen Verpflichtungen" nachkommen zu müssen unerwünschte Aufklärungssatelliten auszuschalten, mittels Laserstrahlen "zu blenden" oder geeignete Techniken zu entwickeln, mit denen unliebsame Satelliten "sich zu einem Klumpen Metall zusammenschmelzen" ließen. Inzwischen hat die US-Regierung ihren Widerstand gegen private Spähsatelliten weitgehend aufgegeben - die Blockadepolitik war nicht mehr durchzuhalten. So haben Indien und Frankreich, Rußland und Kanada längst eigene kommerzielle Aufklärungssatelliten im Erdorbit plaziert. Die Schnappschüsse dieser Himmelsspäher sind allerdings wegen des beschränkten Auflösungsvermögens (zwischen 5 und 30 Metern) weitaus verschwommener als jene, die Ikonos" liefern soll. Zudem verspricht Space Imaging extrem kurze Lieferzeiten. Bereits eine halbe Stunde nach dem Schnappschuss im Orbit will die Firma unter Verwendung einer begrenzten Datenmenge ihrem Kunden gleichsam einen Kontaktabzug liefern; ein Qualitätsbild aus sämtlichen Pixel-Daten der "lkonos"-Optik folgt wenig später. Über den Preis der All-Aufnahmen ist noch nicht entschieden. Für Archivfotos will Space Imaging jedoch pro abgelichteter Quadratmeile (was in etwa der Größe Helgolands entspricht) zwischen 3o und 3oo Dollar berechnen. Langfristig, so hofft die US-Politwissenschaftlerin Arm Florini von der Camegie Friedensstiftung, könnte der freie Handel mit detailgenauen Fotos aus dem All sogar mögliche Konflikte entschärfen und Kriege vermeiden helfen - vorausgesetzt, es kommt zu einer "symmetrischen Transparenz": Verfüge etwa Pakistan über Fotos indischer Truppenkonzentrationen, müsse umgekehrt Indien der bildliche Beweis geliefert werden, dass Pakistan entsprechend reagiere. Simulierte Satellitenfotos*:Schnappschüsse aus dem All
Dass dieses Prinzip des "offenen Himmels" tatsächlich konfliktentschärfend wirken kann, belegt die Geschichte des Kalten Krieges. Voller Mißtrauen hatten sich Amerikaner und Sowjets Anfang der sechziger Jahre gegenübergestanden, weil sie nicht wußten, was die jeweils andere Seite im Schilde führte. Erst als eine Armada von Spionagesatelliten tun die Erde kreiste, so erinnert sich der amerikanische Aufklärungsexperte Brian Gordon " ,schrumpfte die Paranoia".
* Steigerung der Detailschärfe am Beispiel einer Luftaufnahrne des Flughafens von San Francisco;
links Auflösung fünf Meter, rechts: Auflösung ein Meter.
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